Guten Morgen Wahnwitz

Leseprobe: Guten Morgen Wahnwitz

OBSERVATION I

Schräg gegenüber dem Aldi-Parkplatz und in präziser Front zum Schrottplatz hatten zwei andere Herren ähnliche Launen. Zur unauffälligen Observation des Tatortes von vorvoriger Nacht hatten sich die Herren Grötel nebst linker Hand in einen Fitnessclub zurückziehen müssen.
Das Haus, in dem sich das Center befand, hatte schon weitaus bessere Tage gesehen, die Vorderseite war ebenerdig verglast und bis Kopfhöhe mit weißer Farbe überpinselt, die stellenweise abbröckelte, dort waren innen, als Sichtschutz wahrscheinlich, diverse Plakate auf die Fenster geklebt worden.
Grötel zog missmutig an seiner filterlosen Kippe, deren Asche achtlos vor ihm zu Boden segelte, während Schwammnitz neben ihm ein Rudergerät traktierte und dabei immer wieder „uh“ und „oh“ japste, als würde er jede Minute ejakulieren. Bei dem Gedanken daran zitterten Grötel angewidert die Hände, und er steckte sich am Stummel der Zigarette eine neue Kippe an.
Als wäre er im Ruderboot vorm Moruroa-Atoll ausgesetzt worden, kurz vor ‘ner neuen Testreihe, aber wahrscheinlich würden’s die Franzosen doch vermasseln, grübelte Grötel, während er die Einfahrt zum Schrottplatz versonnen betrachtete.
„Herr Hauptkommissar, können Sie nicht mal das Rauchen unterlassen? Ich bin’s inzwischen gewöhnt, aber die anderen Sportler hier!“
Grötel drehte sich zum Raum hin um und blaffte angeekelt und total verschnupft lauthals in den Saal: „Was für Sportler, verdammt noch mal, ich seh’ hier nur ein Dutzend Fleischklopse mit ‘ner nazistischen Störung.“
Das Knarren, Quietschen und Stöhnen wurde von einem kurzen Moment absoluter Stille überlagert, in die hinein Grötel in bekannter Manier seine Rotze nach oben zog und sich wieder der Straße zukehrte.
„Chef, das sind Bodybuilder, die sind sensibel, die können Sie nicht so behandeln.“ „Mensch, Schwammnitz, merkst du noch was? Brauchst doch nur mal auf die Plakate zu gucken, die hier überall rumhängen, von den Foltermaschinen mal ganz abgesehen.“
„Na und?“
„Los, lies vor, das da hinten, neben dem grünen Dingsda, das wie ein Vollplastik-Alien von Beuys aussieht, steht.“
„Das ist eine indoor-walking-Anordnung von ‚Reebok Skywalker‘, wetterunabhängig und stufenlos regulierbare Trainingssteigerungsanpassung.“
„Eine was?“
„Eine indoor-wal…“
„Mensch, ich bin nicht schwerhörig, was macht man mit dem Scheißding?“
„Gehen, Chef, man geht zum Beispiel bergauf, oder so.“
„Aha, hier steht also ein Gerät zum Gehen – fein, und du willst mir erzählen, die da hinten wären sensibel, was?“
Grötel hatte sich jetzt wieder dem Raum zugewandt, zog wild an der Zigarette und schnickte die Asche in Richtung der Schwitzenden an den Geräten. Er las laut vor: „Versa Climber, the home trainer, es gibt kein effektiveres Training als das ,Versaclimbing’ gegen den Zug der Schwerkraft, oder dort drüben ,High and low Step Aerobic mit Choreographie-Advisement und Workout-Musik für Fortgeschrittene.“
„Chef, das ist Englisch …“
„Schnauze, Schwammnitz, ich weiß, dass das Englisch ist, in Chinesisch würd’ ich den Humbug wenigstens nicht verstehen.“
„Die Sprache des Sports ist international.“
Grötel beschäftigte sich demonstrativ mit seinem Schnupfen, indem er einen tierischen Nieser energisch in den Raum schleuderte und danach den Kopf schüttelte, als wollte er ein paar Viren wie Dukaten an das Volk verteilen.
„Sag mal, seit wann machst du das mit dem Trainieren eigentlich schon?“
Die linke Hand ruderte jetzt wie wild, als gelte es, Grötel zu entkommen. Unter Keuchen und Stöhnen zischte er: „Seit meine Frau in dieser Yogagruppe ist. Sie meinte eines Tages, als sie von der Gruppe kam, wenn ich meinen Körper nicht besser definiere, könnte sie gleich mit einem Nilpferd schlafen.“
„Aha, und seitdem definierst du dich?“ Grötel beobachtete jetzt wieder die gegenüberliegende Seite.
„In einem gesunden Körper wohnt ein gesunder Geist, hat meine Frau mal zu mir gesagt.“
Schwammnitz war irgendwie aus dem Takt gekommen und peitschte das imaginäre Wasser, Grötel bewunderte den Ruderstil und arbeitete hörbar an seinem Rotzproblem.
„Kluge Frau“, antwortete der Kommissar und dachte angewidert, während er aus den Augenwinkeln den Ruderer betrachtete: Der sieht tatsächlich wie ‘ne mutierte Dogge aus, mit zu breiter Brust und Sabber in den Lefzen